Mein Leben & mein Weg

Erfahrungsbericht Blasenentzündungen

Aller Anfang ist schwer

Wie so oft im Leben findet das Sprichwort „Aller Anfang ist schwer“ passenden Ausdruck. So auch für die ersten Jahre meines Lebens. Mit einer Schrumpfniere, Obstruktionen der  Ausscheidungsorgane und einer lebensbedrohlichen Harnröhrenverengung geboren scheint es um mein paartägiges Dasein nicht allzu gut zu stehen. Trotz den Anweisungen einiger Mediziner an meine Eltern: „Weglegen und sterben lassen“ gab es für meine Eltern, sowie für mich, nur eine Möglichkeit und zwar um mein Überleben zu kämpfen. Es gelingt einen Mediziner zu finden, dessen Bemühungen mein Leben retteten. Nach der Überweisung in eines der größten Krankenhäuser Österreichs und den entsprechenden lebensrettenden Maßnahmen, war ein Jahr meines Lebens durch Dauerkatheter, Krankenhausaufenthalte und entsprechende Infektionen geprägt.

Begleitet wurden diese Eindrücke für meine Eltern durch Visionen von ständiger körperlicher und geistiger Behinderung, die von den behandelnden Ärzten skizziert wurden. Meine Eltern verließ jedoch trotz all der Leiden und Strapazen die auf sie nur so einprasselten nie der Mut und sie glaubten stets an meine vollkommene Genesung und Gesundheit. Mit einem Jahr war es dann soweit, ich war groß genug und die notwendigen Instrumente für eine Beseitigung der Harnröhrenverengung würden keine dauerhaften Schäden mehr hinterlassen.

Die Operation verlief gut und ich konnte das Krankenhaus ohne jeglichen Katheter verlassen. Jedoch standen weiterhin häufig Kontrolluntersuchungen sowie außerplanmäßige Besuche im Krankenhaus aufgrund von bakteriellen Infektionen an. Eigentlich gesund und ohne jegliche weiteren Einschränkungen meine Blase zu entleeren war aufgrund der häufigen Infektionen bereits eine prophylaktische Gabe von Antibiotika neben der diversen anderen Medikation angedacht. Diese zahllosen Medikamente waren für meine Eltern auch der ausschlaggebende Faktor einen anderen Weg für mich zu wählen und ab diesem Punkt der konventionellen Medizin den Rücken zu kehren.

Für meine Eltern völlig gesund wuchs ich ohne Begrenzungen auf und konnte meine Kindheit und Jugend in vollen Zügen genießen. Wohl mit dem Wissen nicht ganz normal zu sein, aber trotzdem gesund, wuchs ich zu einem völlig gesunden Menschen heran. Im Alter von 15 Jahren fing ich sogar an semi-professionellen Sport neben meiner schulischen Ausbildung zu betreiben und wurde gesünder und fitter denn je. Minimum zwei Stunden Sport am Tag waren kein Problem für mich. Im Gegenteil, meine Nierenfunktion war im medizinischen Normbereich und auch die Schrumpfniere leistete von anfänglichen fünfundzwanzig Prozent, stolze siebenundvierzig Prozent. Ich war im Einklang mit mir. Mein Leben in der Mitte. Natürlich auch noch jung und unbesorgt.

Ein neuer Lebensabschnitt

Mit 18 Jahren lernte ich Corina kennen und nach einem Jahr unserer jungen Beziehung beschlossen wir für Studium und Arbeit nach Wien in die Großstadt zu ziehen. Für uns beide, aufgewachsen in kleinen Dörfern im Waldviertel, war das ein völlig neues Erlebnis. Ein neuer Lebensabschnitt hatte begonnen. Vom geregelten Ablauf im Internat ins selbstständige Leben gestoßen galt es neue Muster, neue Tagesabläufe zu gestalten. Da mir mein Studium viel abverlangte konzentrierte ich mich mit all meiner Energie auf einen positiven Abschluss des selbigen.

Ich liebte es all meine Ressourcen für die Lösung verschiedenster mathematischer, mechanischer oder sonstiger Probleme aufzuwenden. Zusätzlich wollte ich die neu gewonnene Selbstständigkeit unterstreichen und meinen Eltern eine kleine Last von den Schultern nehmen in dem ich versuchte einen Teil meines Lebensunterhaltes selbst zu bestreiten. Mein Tatendrang war zu jener Zeit aber immer noch nicht gestillt und so beschloss ich, als Corina das Studium der Kommunikationswissenschaft begann, dieses ebenfalls absolvieren zu wollen.

Im Nachhinein betrachtet war dies jedoch auch jene Zeit in der sich ein leichter Hang zur Selbstsabotage entwickelte. Anstatt Sport stand Lernen oder Arbeit auf dem Plan. Statt regelmäßigen Essen verschlang ich Fastfood Gerichte. Wasser wurde durch Limonaden ersetzt und sogar Schlaf versuchte ich durch Energy Drinks zu ersetzen. Schleichend stieg mein Gewicht und nach drei Jahren hatte ich unglaubliche vierzig Kilogramm zugenommen. Ich nahm es nicht zur Kenntnis. Ich meine nicht, dass ich es nicht gesehen habe. Ich habe es verdrängt, als Preis für die Absolvierung meiner Studien gesehen. Sport würde ich wohl später wieder in meinem Leben machen. So war mein Leitsatz.

Raubbau an mir selbst

Ganz konnte ich den Sport jedoch nicht vergessen und so spielte ich an den Wochenenden Tennis- oder Volleyballmeisterschaften, mit dem Ergebnis, dass ich immer häufiger Probleme mit entzündeten Gelenken bekam. Der Übeltäter für meine Problemchen war natürlich nicht das Betreiben des Sportes. Es war mein Lebensstil. Ich war mehr als übergewichtig, war aber immer noch der Meinung meinen Körper in derartiger Weise belasten zu können, wie ich das von früher gewohnt war. Anstatt meinen Körper mit Sport zu unterstützten, raubte ich ihm exzessiv Energie und war der Meinung Gutes für mich und meine Gesundheit zu tun.

Genauso schleichend wie meine Gewichtszunahme entwickelte sich die Angst vor einer Prüfung die zwingend für die Absolvierung meines Studiums der Ingenieurwissenschaften notwendig war. Nach zwei negativen Prüfungsantritten und somit einer drohenden kommissionellen Prüfung, die bei negativer Absolvierung eine Exmatrikulierung zur Folge hätte, wurden existenzielle Ängste in mir geschürt. Mein Leben, mein Studium, wurde durch ein mögliches Scheitern bedroht. So stand ich da mit einem Druck, einem Druck durch all Aufgaben die ich mir selbst aufgebürgt habe und einem Druck geschürt durch die Ängste, die sich in mein Leben einschlichen. Aus jetziger Sicht war und ist die logische Konsequenz, die sich nur einstellen hat können: Krankheit.

Ich wurde krank, aber nicht schlagartig sondern schleichend. Jede Gelenksentzündung, jede Grippe und auch jedes Fieber war ein Zeichen meines Körpers:

«Hey, mit mir stimmt was nicht. Kannst du bitte etwas ändern? Ich komme mit all den Bürden, die du mir körperlich und seelisch auferlegst, nicht mehr zurecht! Hilf mir und hilf dir!»

Doch ich nahm all diese Warnzeichen nicht wahr. Ich war also in einem Stadium angekommen, in dem sich meine fehlende Gesundheit durch häufige kleinere Grippen, durch meinen schlechten psychischen Zustand sowie durch monatliche Gelenksentzündungen von der Dauer einer Woche, kenntlich zeigte. Am schlimmsten nahm ich zu dieser Zeit die Gelenksentzündungen war, die mir jeden Schlaf raubten und meine Fortbewegung nahezu auf Null reduzierten. Obwohl alle Veränderungen schleichend kamen und als ob das alles nicht schon alarmierend genug für mich gewesen wäre, gab es einen Punkt, der alles in meinem Leben verändern sollte.

Am Scheideweg

 

 

 

Ich erlitt einen Harnwegsinfekt, der sich zur Nierenbeckenentzündung ausbreitete. Nach einer Woche erfolgloser Antibiotikatherapie, verschrieben durch den Hausarzt und 40 Grad Fieber nahezu im Fieberdelirium, wurde auch ich zur Einsicht gebracht, diesmal den Aufenthalt in einem Krankenhaus in Anspruch nehmen zu müssen. Vor diesem Zeitpunkt waren Harnwegsinfekte nie ein Thema. Ich kannte nicht einmal die Anzeichen und aufgrund meiner Vorgeschichte empfand ich es als ziemlich normal wenn einmal ein Brennen beim Urinieren auftrat. Einer der Chefärzte der Abteilung machte sich in einem Gespräch mit mir ein Bild von mir und wollte ein paar Untersuchungen durchführen. Seine Miene wurde immer ernster und am Ende der Untersuchungen nahm er sich sogar Zeit, die Befunde mit mir zu besprechen. Ich war schon darauf eingestellt, bei jeder Zeile seines Textes mit «Ja, das ist mir bekannt» zu kontern. Doch irgendwie war es diesmal doch anders und als er dann mit ernster Miene neben mir saß und mir die Ergebnisse der Untersuchungen zeigte, sowie beifügte, dass ich ungefähr 300 Milliliter Restharn hätte, wusste ich definitiv, dass etwas anders war.

Den Ernst der Lage noch nicht zur Gänze erkannt, fragte ich was das für mich überhaupt bedeutet. Woraufhin er mir erklärte, dass so wie sich ihm die Situation präsentiert, der Restharn nicht erst seit kurzem besteht, sondern wie anhand der Ausscheidungsorgane zu erkennen ist, schon seit Jahren. Wenn ich nicht in nächster Zeit etwas an dieser Situation ändern würde, dann würde ich zum Dialysepatienten werden. Erschwerend bei mir kommt hinzu, dass ich nur eine voll funktionsfähige Niere habe. Dieser wird aber durch den aufsteigenden Restharn immer mehr zugesetzt. Er erklärte mir, dass mein derzeitiges System noch zehn Jahre funktionieren, aber auch schon in zwei kollabieren könnte. Eindringlich wies er mich aber nochmals darauf hin, dass der Restharn meine Niere zerstört und ich durch diese Umstände im Fall der Fälle kein Kandidat für eine Spenderniere bin.

Ich war mit meinen Nerven fertig und meine Kräfte waren am Ende. Meine Talfahrt, die ich alleine als Kapitän begonnen hatte, nahm also so richtig Fahrt auf und ich merkte zum ersten Mal glasklar wohin die Reise gehen sollte. Nach dieser Nachricht war ich Wochen, wenn nicht Monate zu tiefst betrübt. Mein Leben stand am Scheideweg.

Das Leben ist der beste Lehrer

Ich suchte viele Ärzte auf und musste viele sehr schmerzhafte Untersuchungen über mich ergehen lassen. Bis zu dieser Zeit wusste ich gar nicht, was alles möglich ist und ich wünschte, ich hätte es auch nie erfahren. In meine Spaßzone wurden Dinge astronomischen Ausmaßes gesteckt. Trotz all der Untersuchungen gelang es keinen der Ärzte einen Weg zu finden meinen Restharn zu beseitigen. Meine Gesundheit besserte sich auch nach all den Änderungen in meinem Lebensstil nicht. Im Gegenteil, ich hatte jetzt fast monatlich Harnwegsinfekte, die ich mit Antibiotika bekämpfte und abwechselnd dazu hatte ich auch Gelenksentzündungen, bei denen ich bis heute nicht weiß, ob es sich um Gicht oder reaktive Arthritis handelte. Mein Leben glich immer mehr einem Scherbenhaufen, der sich vor mir auftürmte. Trotz aller Bemühungen wurde mein Zustand nicht besser, sondern eher noch schlechter. Ich war mittlerweile ein Jahr in einer Verfassung unterwegs, die kein normales Leben erlaubte. Jeden Monat war ich mindestens zwei Wochen krank. Ich konnte eigentlich keine Lehrveranstaltung absolvieren und ich konnte eigentlich nicht arbeiten gehen, tat es aber trotzdem. Mit vierzig Grad Fieber schleppte ich mich in die Lehrveranstaltung, um die nötige Anwesenheit zu erreichen. In die Arbeit marschierte ich unter höllischen Schmerzen, um nicht zu oft zu fehlen. Zwei weitere Krankenhausaufenthalte folgten, bei denen ich zumindest ein wirksames Mittel gegen meine Gelenksentzündungen erhielt. Statt Paracetamol warf ich mir jetzt Cortison ein und aus der sich langsam entwickelten Abneigung gegen Ärzte verschrieb ich mir die Dosen am Ende schon selbst.

Ich hatte kein Vertrauen mehr zu irgendwem. Die konventionelle Medizin war seit einem Jahr nicht im Stande, meine Situation zu verbessern, oder mir lediglich Lösungen anzubieten. In der alternativen Medizin fühlte ich mich auch nicht wohl, obwohl ich einiges probierte. Ich begann zu verstehen, dass meine Umgebung und mein Umfeld immensen Einfluss auf meine Gesundheit hatten. Deshalb kündigte ich nach einem Jahr Krankheit meinen Job und entschied gemeinsam mit Corina, Wien den Rücken zu kehren und in eine ländliche Stadt Österreichs zu ziehen. Ausschlaggebender Punkt war, dass ich eine Möglichkeit fand, meine Diplomarbeit für eine Firma zu schreiben, die ihren Sitz nahe Innsbruck hat. Für uns sollte das ein Start werden. Ein Start in eine neue Zukunft und gleichzeitig in eine große Reise. Corina und ich wollten mit unserem Ersparten eine einjährige Weltreise unternehmen und als erste Station sahen wir Innsbruck an.  Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich schon abgefunden, dass mir aus medizinischer Sicht wohl niemand so schnell helfen kann und ich einen anderen Weg finden muss, meinen Restharn sowie die damit drohende Dialyse abzuwenden.

Mein Gedanke, den ich mir im Kopf zu platzieren versuchte war, dass mein System bis zum sechsundzwanzigsten Lebensjahr funktioniert hat, also kein Anlass zu sehen sei, warum sich das in den nächsten Jahren drastisch ändern sollte. Zumindest diese Reise würde ich schon noch machen können und dann würde ich mich erneut auf die Suche nach der vollkommenen Gesundheit begeben. Für meine Diplomarbeit musste ich sechs Monate vierzig Stunden die Woche arbeiten. Das hieß ich musste meine Gesundheit soweit auf Vordermann bringen, dass ich nicht drei der sechs Monate im Krankenstand verbrachte. Mir gelang es dies zu erreichen indem ich motiviert durch den zusätzlichen Antrieb meine Ernährung auf eine gesunde vegane Kost einschränkte, moderat Sport betrieb sowie meine Psyche durch verschiedenste Literatur und Übungen wie autogenes Training festigte. Unabhängig von meinem gesundheitlichen Zustand war mein größtes Ziel nämlich immer noch mein Studium abzuschießen.

Ich wusste zwar, wie es um meine gesundheitliche Situation steht, war aber wieder am gleichen Weg wie zuvor angekommen. Denn ich stürzte mich unter anderem freiwillig wieder in eine 70-Stunden Arbeitswoche. Darüber hinaus war Corina von meiner Entscheidung, die Arbeit auf mindestens zwei weitere Jahre auszudehnen alles andere als erfreut. Ich war davon überzeugt, wir könnten diese Reise auch nach diesen zwei Jahren noch machen. Corina sah das anders und für sie bedeutete ein Verschieben das sichere Todesurteil für unser Vorhaben und sie sah, dass ich mich schon wieder verirrt hatte. So entstand auch zwischen Corina und mir eine differenzierte Vorstellung unserer Zukunft. Ich war wieder geblendet, doch zum Glück ist das Leben ein geduldiger Lehrer und meint es noch dazu gut mit uns. Natürlich holte mich meine Krankheit wieder ein und so musste ich nach vier Monaten Arbeit erneut ins Krankenhaus…

*Fortsetzung folgt.

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